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Sonntag, 13. März 2011

Tücken der Knochendichtemessung

Die Knochendichtemessung (Osteodensitometrie) ist derzeit noch das Standardverfahren zur Diagnostik der Osteoporose und wird von den Leitlinien der Fachgesellschaften empfohlen. Durchgesetzt hat sich das sog. DXA-Verfahren, bei dem die Knochendichte an der Wirbelsäule und am Oberschenkelknochen gemessen wird um das Knochenbruchrisiko zu ermitteln. Dazu werden die Messwerte mit den Mittelwerten gesunder junger Kontrollpersonen (T-Score) und altersgleichen Kontrollpersonen (Z-Score) verglichen, woraus sich dann therapeutische Konsequenzen ergeben können.

Wie jedes Messverfahren steht und fällt auch dieAussagekraft des DXA-Verfahrens mit der Sorgfalt, mit der die Messwerte erhoben werden.

Patienten entkleiden!

Messfehler können durch Kleidungsbestandteile wie Knöpfe und Gürtelschnallen entstehen, sie führen zu falsch-hohen Dichtewerten, d.h. eine Osteoporose wird möglicherweise übersehen. Gleiches gilt auch für Schmuck inkl. Piercing oder aber im Körper befindliche Metallimplantate und Knochenzement, der sich nach operativer Versorgung von Wirbelkörperbrüchen durch Kypho- oder Vertebroplastie auch in der Wirbelsäule findet. Ist letzteres der Fall, muss die Messung an einer anderen Stelle der Lendenwirbelsäule durchgeführt werden.

Patienten richtig lagern!

Um Fehlmessungen zu vermeiden ist auch die richtige Lagerung des Patienten wichtig. Ein Problem stellt die natürliche Krümmung der Lendenwirbelsäule dar, die sog. Lendenlordose. Die Krümmung sollte weitestgehend aufgehoben werden, indem der Patient während der Messung seine Beine auf eine bänkchenähnliche Unterlage lagert, damit Hüft- und Kniegelenke gebeugt werden. So können nämlich die Bandscheibenräume zwischen den Wirbelkörpern als solche erkannt werden und das Messgerät kann exakt auf den Wirbelkörper eingestellt werden. 

Korrekte Lagerung

Eine weitere Fehlerquelle bei Messungen an der LWS sind Verschleißerscheinungen, die zu Formabweichungen, Überlagerungen und Knochenanbauten geführt haben. Auch hier können falsch-hohe Messwerte resultieren und die Osteoporose wird übersehen.

Samstag, 19. Februar 2011

Morbus Sudeck

Der Morbus Sudeck gehört zu den neurologisch-orthopädisch-traumatologischen Erkrankungen. Es existieren gleich mehrere Begriffe, die ein und die gleiche Erkrankung bezeichnen: Reflexdystrophie, Sudeck-Dystrophie, Algodystrophie, sympathische Reflexdystrophie, Kausalgie oder aber auch komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS = complex regional pain syndrome).

Das CRPS entsteht nach Traumata jeglicher Art an den Extremitäten, also an Armen und Beinen. Zu Traumata gehören übrigens nicht nur Verletzungen i.e.S, sondern auch nach Operationen, Entzündungsreaktionen und isolierten Nervenverletzungen. Dabei kommt es nicht auf die Schwere der Verletzung an, auch Bagatelltraumen reichen aus. Ist das CRPS auf die Schädigung eines größeren Nervs zurückzuführen spricht man von einem CRPS II, ansonsten von einem CRPS I.

Auf dem Boden einer noch nicht geklärten Reaktion feiner und feinster Nerven kommt es zu einer Entzündungsreaktion im verletzten Extremitätenabschnitt, es treten Durchblutungsstörungen, Ödeme, Hautveränderungen und schließlich auch Funktionsstörungen z.B. der Hand auf begleitet von hartnäckigen Schmerzen.

In Europa entwickeln durchschnittlich 26 von 100.000 Menschen pro Jahr ein CRPS, wobei der Altersgipfel zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr liegt.  Aber auch Hochbetagte und sogar Kinder können betroffen sein. Frauen sind doppelt so häufig betroffen wie Männer und die obere Extremität ist doppelt so häufig betroffen wie die untere Extremität. Ein klassisches Beispiel für ein CRPS ist die Entwicklung nach einer Handgelenksfraktur.

Typische Symptome:
  • Ruheschmerz der betroffenen Extremität, der sich unter Belastung verstärkt
  • gesteigerte Druckschmerzhaftigkeit der Extremität
  • Einschränkung der Motorik, z.B. Fingerbeweglichkeit, Feinmotorik, Kraftminderung, Zittern
  • Störungen der Hautdurchblutung, was zu Änderungen der Hauttemperatur und Hautfarbe führt
  • Schwitzen im betroffenen Körperteil („feuchte Hand“)
  • Anschwellen des betroffenen Körperteils, teilweise massive Ödeme
  • sog. trophische Störungen von Haut, Nägeln, Behaarung
  • Entkalkung des Knochens (sog. turn-over-Osteoporose)
  • Gelenkfehlstellungen
  • Schmerzen
Akutes Stadium eines CRPS

Diagnostik

Die Diagnose wird klinisch gestellt, d.h. durch eine körperliche Untersuchung, wobei folgende Kriterien erfüllt sein müssen:

1. anhaltender Schmerz, der durch das auslösende Trauma nicht zu erklären ist

2. die Patienten müssen über mindestens ein Symptom aus 3 der 4 folgenden Kategorien berichten:

a) Überempfindlichkeit gegen Schmerzreize (sog. Hyperalgesie)
b) unterschiedliche Hauttemperatur im Seitenvergleich, Veränderung der Hautfarbe
c) unterschiedliches Schwitzen im Seitenvergleich; Ödem
d) eingeschränkte Beweglichkeit, Kraftminderung des betroffenen Körperteils

3. die Patienten müssen mindestens zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Symptom aus 2 der 4 folgenden Kategorien aufweisen:

e) überschießende Schmerzreaktion auf spitze Reize (Zahnstocher), Druckschmerz über Gelenken, Knochen o. Muskeln
f) asymmetrische Hauttemperatur, Veränderung der Hautfarbe
g) Asymmetrie im Schwitzen, Ödem
h) eingeschränkte Beweglichkeit, Zittern, Kraftminderung, Veränderungen von Haar oder Nagelwachstum

4. eine andere Erkrankung erklärt die Symptomatik nicht

Die apparative Diagnostik kann zwar zur Bestätigung der Diagnose CRPS herangezogen werden, entscheidend ist aber die klinische Untersuchung (s.o.). So ist es durchaus möglich, dass die folgenden Untersuchungsmethoden völlig unauffällig sind, der Patient aber dennoch das Vollbild eines CRPS aufweist:

1. Röntgenaufnahmen
Nur 50% der Betroffenen zeigen nach 4-8 Wochen eine charakteristische osteoporotisch bedingte Entkalkung des Knochens des betroffenen Körperabschnitts an. Aufnahmen beider Seiten, also z.B. beider Hände zeigen den Unterschied.

Entkalkung des Knochens bei CRPS


2. Kernspintomographie
Die Kernspintomographie zeigt Ödembildungen in den Weichteilen (Muskeln, Bindegewebe). Diese ist allerdings unspezifisch weil sie beispielsweise auch bei einer Arthritis Ödembildungen nicht ungewöhnlich sind. Zur Diagnose eines CRPS ist die Kernspintomographie daher nicht geeignet!

3. Knochen-Szintigramm
Die Knochen-Szintigraphie ist eine nuklearmedizinische Untersuchung, die dem Nachweis von Knochen-Anteilen mit erhöhtem Knochenstoffwechsel dient. Beim CRPS findet man insbesondere in den ersten 6 - 9 Monaten charakteristische Veränderungen.

4. Messungen der Hauttemperatur
Wiederholte Hauttemperaturmessungen im Seitenvergleich sind geeignet, die Diagnose eines CRPS zu untermauern, insbesondere dann, wenn der Temperaturunterschied > 1-2°C beträgt.

Das CRPS ist nicht durch Auffälligkeiten in den Laborwerten gekennzeichnet!

Therapie 

Die erfolgreiche Behandlung eines CRPS hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab:
  • frühzeitige Diagnose
  • multidisziplinäre Therapie

Die langwierige Therapie sollte stufenweise erfolgen:

1. Bei Ruheschmerzen und Ödem sind diese vorrangig zu behandeln, weitere Maßnahmen sind zunächst nebensächlich. Es dürfen keine Maßnahmen ergriffen werden, die die Schmerzsymptomatik verstärken!

2. Danach erfolgt die Behandlung von Bewegungsschmerzen durch neuro- und gelenkrehabilitative Maßnahmen.

3. In der letzten Stufe erfolgt die Behandlung von Funktionsstörungen durch eine funktionell-orthopädische Rehabilitation. Häufig kann zu diesem Zeitpunkt die medikamentöse Schmerzbehandlung reduziert werden.

Medikamentöse Behandlung

Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Verabreichungsformen keine Gewähr!

1. Bisphosphonate
Bisphosphonate hemmen die Aktivität der knochenabbauenden Osteoklasten und sind vor allem bei CRPS nach Frakturen der oberen und unteren Extremitäten wirksam und Mittel der ersten Wahl. Ob ihre Wirksamkeit auch nach anderen Traumata effektiv ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Alendronat entweder oral in der Dosis von 40mg pro Tag über 8 Wochen oder i.v. 7,5 mg an 3 aufeinanderfolgenden Tagen.

Clodronat in der Dosis 300mg i.v. an 10 aufeinanderfolgenden Tagen.

Pamidronat einmalig 60 mg i.v.

2. Calcitonin
Calcitonin ist ein Hormon, das von den C-Zellen der Schilddrüse gebildet wird. Es hemmt wie die Bisphosphonate die Osteoklastenaktivität und wirkt analgetisch, d.h. schmerzlindernd.

Es kann als Nasenspray verabreicht werden (3-4x täglich 100 IU) oder als Injektion. Dauer der Behandlung 4-8 Wochen.

Der Einsatz von Calcitonin beim CRPS ist umstritten und zugegebenermaßen gibt es kaum Studien, die eine gesicherte Wirksamkeit belegen.

3. Steroide („Cortison“)
Glukokortikoide haben eine entzündungshemmende und anti-ödematöse Wirkung. Vor allem in frühen Stadien des CRPS zeigen sie eine gute Wirkung. Weiterer Vorteil: das Ansprechen auf die Behandlung mit Kortikoiden kann relativ schnell beurteilt werden, meist innerhalb weniger Tage bis maximal 3 Wochen.

Prednisolon 100mg pro Tag, über 2-3 Wochen langsam wieder ausschleichen.

Keine Dauertherapie!

4. Medikamente gegen neuropathische Schmerzen
Schmerzen, die durch Schädigungen von Nerven zurückzuführen sind, bezeichnet man als neuropathische Schmerzen.

a) Gabapentin
Gabapentin wird zur Behandlung zerebraler Krampfanfälle eingesetzt („Epilepsie“) und hat zudem eine sehr gute schmerzstillende Wirkung.

Startdosis sind 300mg pro Tag, dann tägliche Steigerung um 300mg täglich bis auf 1200-2400mg in 3 Einzeldosen. Dosis-Maximum: 3600mg pro Tag.

b) N-Acetylcystein (NAC)
NAC ist strenggenommen ein schleimlösendes Medikament, das beispielsweise bei einer akuten Bronchitis das Abhusten erleichtern soll. Als „Nebenwirkung“ fängt es aber auch freie Radikale ein, die bei Entzündungsreaktionen oder aber Mangeldurchblutung entstehen. Eine gesicherte Wirkung beim CRPS gibt es nicht, es soll aber Patienten geben, die unter der Einnahme von NAC eine deutliche Schmerzabnahme verspüren.

Dosierung: 2-3x 600mg pro Tag oral

Medikamentöse Lokalbehandlung

Dimethylsulfoxid (DMSO)
DSMO wird auf die Haut des betroffenen Körperteils aufgetragen, durchdringt die Haut und fängt ebenfalls freie Radikale ein, die bei Entzündungen und Mangeldurchblutung entstehen.

50% DSMO wird in fettige Creme gemischt (Vaseline) und 5x täglich auf die betroffene Extremität aufgetragen.

Der Nutzen einer DSMO-Behandlung ist umstritten. Allerdings gehört DSMO in den Niederlanden zur Standardtherapie des CRPS. Unangenehme Begleiterscheinung: intensiver Knoblauchgeruch!

Rehabilitative Therapie

a) klassische Krankengymnastik
Solange beim CRPS Ruheschmerz und Ödem im Vordergrund stehen beschränkt sich die Therapie zunächst auf Ruhigstellung und Hochlagerung der Extremität. Zur Ödembehandlung kann die Physiotherapie mit Lymphdrainagen und Kältebehandlung (absteigende Bäder) helfen. Im nächsten Schritt werden die Gelenke, die der betroffenen Extremität benachbart sind, mobilisiert. Sobald der Schmerz rückläufig ist werden dann die betroffenen Gelenke bearbeitet: Traktions- und Mobilisationsbehandlung, Belastungstraining und im Fall der unteren Extremität Gangschulung.

b) Ergotherapie
Die Ergotherapie soll die betroffene Extremität wieder alltagstauglich machen, indem schmerzhafte Bewegungsmuster reduziert und die normale Sensibilität wieder hergestellt wird. Zu Beginn steht die Desensibilisierung der berührungsempfindlichen Hautareale, um sie wieder an alltägliche Berührungen zu gewöhnen. Dann werden schmerzfreie Bewegungen eingeübt und schließlich zum Training der Feinmotorik übergegangen.

Krankengymnastik und Ergotherapie sind für CRPS-Patienten unverzichtbar. Sie sollten 2-5x wöchentlich erfolgen, pro Sitzung 20-30 Minuten. Wichtig: bereitet die Therapie Schmerzen muss zurückgerudert werden da sich ansonsten die CRSP-Symptomatik verstärkt und der Heilverlauf  sich entsprechend verlängert.

Psychotherapeutische Verfahren

Hierzu gehören Krisenintervention, Entspannungstechniken und Biofeedbackverfahren. Insbesondere Patienten, die bereits vor der Entwicklung eines CRPS psychische Störungen hatten, bedürfen einer intensiven Betreuung.

Mittwoch, 26. Januar 2011

Transiente Osteoporose

Bei der transienten oder transitorischen Osteoporose handelt es sich um einen Knochendichteverlust, der sich relativ schnell entwickelt und äußerst schmerzhaft ist. Die Ursache dieses Knochendichteverlustes ist völlig unklar. Sie tritt meist bei Männern mittleren Alters auf (Gipfel zwischen 30 und 50 Jahren). Bei Frauen findet man sie sehr selten und wenn, dann meist bei Schwangeren gegen Ende der Schwangerschaft (nicht zu verwechseln mit der „schwangerschaftsassoziierten Osteoporose“ , siehe dazu hier: Osteoporose bei Schwangeren).
 
Unterschieden werden zwei Formen der transienten Osteoporose:
  1. die transiente Osteoporose des Hüftgelenks
  2. die transiente Osteoporose mit Befall mehrere Gelenke
 
Die Patienten verspüren plötzlich aufgetretene, intensive Beschwerden und Bewegungseinschränkungen in den betroffenen Gelenken. Da sich der Knochenschwund auf normalen Röntgenaufnahmen erst im fortgeschrittenen Stadium darstellt, ist eine Verschleppung der Diagnose nicht selten. Entscheidend für die Diagnose ist die Kernspintomographie, in der die betroffenen Gelenke ein ausgeprägtes Knochenmarködem aufweisen, weshalb die Erkrankung auch als „Knochenmarködem-Syndrom“ bezeichnet wird.

Wichtigste Behandlungsmaßnahme ist die Entlastung der Gelenke, worunter sich die Beschwerden in aller Regel langsam zurückbilden, was allerdings einige Zeit in Anspruch nehmen kann (3 bis 6 Monate!). Zusätzlich kann eine Behandlung mit Bisphosphonaten hilfreich sein; werden sie intravenös gegeben, also in Form von Infusionen, so führt das zu einem schnellen Nachlassen der Beschwerden. Die Supplementierung mit 1000 mg Calcium und 800 - 1000 IE Vitamin D täglich ist obligat.

Auch wenn die Prognose der transienten Osteoporose gut ist (sie heilt meist aus): in seltenen Fällen können die befallenen Gelenke frühzeitig eine Arthrose ausbilden.


Bildgebende Diagnostik bei der transienten Osteoporose

Methode
Frühstadium
Spätstadium

Normale Röntgenaufnahme

unauffällig

Fleckige Entkalkung


CT

unauffällig




Knochenszintigramm

Mehranreicherung
was alles mögliche bedeuten kann...




Kernspintomographie

Knochenmarködem




Laboruntersuchungen und Knochendichtemessung sind wenig hilfreich!

Mittwoch, 1. September 2010

Kontrolle der Knochendichte frühestens nach zwei Jahren

Nach den aktuellen Leitlinien des Dachverbandes Osteologie (2009) ist bei einer Osteoporose-Behandlung bestehend aus Calcium und Vitamin D (Basistherapie) sowie einer spezifischen medikamentösen Behandlung eine Nachuntersuchung des Patienten ggf. auch mittels einer Knochendichte-Messung frühestens nach zwei Jahren erforderlich.

Steigt die Knochendichte unter einer spezifischen medikamentösen Behandlung nicht an, so ist das kein Hinweis auf eine verminderte fraktursenkende Wirkung. Eine vorgezogene Kontrolle der Knochendichte sollte beim Auftreten von zwei oder mehr osteoporotischen Frakturen innerhalb von drei Jahren unter der Therapie erfolgen.